von Michael Käflein
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TEIL 2
VON MICHAEL KÄFLEIN
von Hans-Jürgen Wilde
Die Erfindungen von Gottlieb Daimler und Carl Benz sind, wie ja kaum anders zu erwarten, am Ausgang des 19. Jahrhunderts für den Bereich des öffentlichen Verkehrs nicht ohne Auswirkungen geblieben. Man kann sich das heute kaum noch vorstellen: Da machten plötzlich Fahrzeuge - Apparate, wie man damals dazu sagte - den traditionellen Pferdedroschken mit einer geradezu atemberaubenden Geschwindigkeit von etwa 24 km/h Konkurrenz. Und daran änderte auch nicht, dass diese "Teufelsfahrzeuge" mit einem fürchterlichen Geknatter ihrer etwa 5,5 PS starken Motoren zunächst mal alle Pferde scheu machten. Die Fahrgäste waren's zufrieden, dass sie nun plötzlich viel schneller an ihr gewünschtes Ziel gelangen konnten.
Der Fortschritt war aber auch gewaltig. Das war nicht nur die nun plötzlich so schnelle Fahrt. Die Besitzer dieser neuen Fahrzeuge bekamen für die 5.530 Mark, die solch ein Gefährt kostete (laut Unterlagen der Firma Daimler-Benz), auch viel Arbeitserleichterung. Da musste nicht mehr bei Tau und Tag aufgestanden und im Stall das Pferd gewaschen und gestriegelt werden, man musste kein Futter mehr vorrätig halten, man brauchte keine Ställe mehr und auch keinen Platz für Futterkasten und Heu. Zwar unterschieden sich die Fahrzeuge zunächst kaum von den gebräuchlichen Droschken, sie hatten eben nur keine Deichsel mehr. Hatte man genügend Treibstoff, so konnte nach einem Säubern des Fahrzeugs die Fahrt losgehen.
Wie sich der Alltag damals für die Kraftdroschkenbesitzer entwickelte, kann man heute kaum noch im einzelnen nachvollziehen. Die Fachzeitschrift "Der Motorwagen" berichtet Ende 1904, dass der Betrieb der ersten Motordroschke des Unternehmers Greiner in Bad Cannstadt im allgemeinen gut funktioniere. Allerdings sei nach einiger Zeit festzustellen gewesen, dass die Kosten der Reparaturen am Fahrzeug seien derart hoch seien, sodass sich der Betrieb nicht rentiere. Nur durch Ausflugsfahrten mit weiteren Motordroschken hatte sich damals um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert der Unternehmer Greiner über Wasser halten können.
Die Einführung der Motordroschken im Deutschen Reich vollzog sich dann nach 1900 ziemlich schnell. Hinzu kam, dass die Fahrzeuge, ähnlich wie vorher seit etwa 1890 auch die Pferdedroschken, mit einem so genannten "Taxometer", das der Musikprofessor Neder erfunden hatte, ausgestattet waren. In Bremen wurde damals verordnet, die Fahrer solcher "Taxameter-Droschken" müssten besonders gekennzeichnet sein, so etwa dadurch, dass sie weiße Hüte oder Mützen tragen. Dies setzte sich dann später im ganzen Reich durch.
Auch die Fabrikation solcher Taxameter hat eine lange Tradition. Schon 1905 wurde sie im Schwarzwald aufgenommen und genauso lang, wie die Heidelberger Taxizentrale heute ihre Geschichte zurückverfolgen kann, kann das auch die Firma Kienzle, die sich u.a. auf die Taxameter-Produktion seit 1913 spezialisiert hat.
von Michael Käflein
In der Heidelberger Tageszeitung "Neueste Nachrichten" vom 20. Mai 1909 war folgende Meldung zu finden: "Die erste Automobildroschke in Heidelberg steht seit gestern auf dem Droschkenplatz vor dem Bahnhof in der Rohrbache Straße und hat guten Zuspruch seitens des Publikums. Unternehmer ist Lohnkutscher Franz Rammel, Ladenburger Straße 61."
Das war die Kraftdroschke Nr. 1, ein 8/32-PS-Benzwagen mit dem Kennzeichen IV B -2401.
Der 1864 geborene Franz Rammel war bis 1900 Fahrer des Pferdeomnibusses des Schlosshotels gewesen, und hatte sich dann als Lohnkutscher mit eigener Droschke selbstständig gemacht. Der Standort seines Zweispänners, der Droschke Nr. 76, war der Platz vor dem Bahnhofsgebäude gegenüber der Dresdner Bank. Die Kutsche und die Füchse Fritz und Hektar fanden ihre Unterkunft in Stall und Wagenraum der Ladenburger Straße 61.
Insgesamt waren in Heidelberg zu jener Zeit 80 Pferdedroschken zugelassen, die laut Droschkenordnung über "zwei Laternen an beiden Seiten des Bocks, sauber lackiert und mit gutem, nicht geflickten Lederzeug versehen" sein mussten.
Bei einem Besuch in Baden-Baden bekam Franz Rammel eine der ersten Kraftdroschken zu
sehen und dies beeindruckte ihn so sehr, dass ihn der Gedanke an die Anschaffung eines Automobils nicht mehr losließ. Der Automobilbau mache inzwischen gewaltige Fortschritte; hinsichtlich Wartung und Reparaturanfälligkeit waren große Verbesserungen erzielt worden.
Der Einsatz eines Automobils im Droschkenwesen konnte sich trotz hoher Anschaffungskosten rechnen, denn alleine die Futterkosten für ein Pferd beliefen sich leicht auf 1.000 Mark pro Jahr, zumal die Droschkenkutscher sich das Futter in der Stadt nicht selbst ziehen konnten. Hinzu kamen noch die Wartungskosten für die Kutsche.
Pferdedroschken verfügten nur über eine eingeschränkte Einsatzzeit und bei max. 8 km/h über einen beschränkten Aktionsradius von 40 bis 45 km pro Tag. Das Auto hingegen war rund um die Uhr einsetzbar, schneller, moderner - aber auch "gefährlich": Die 7.451 im Reichsgebiet zugelassenen Taxen des Jahres 1913 verursachten nach einer Statistik innerhalb eines Jahres 4.949 Unfälle! Vollgummireifen verwandelten schon bei leichten Regenschauern die gutmütigen Fahrzeuge in unkontrollierbare Schleudern, Bremsen liefen heiß, Karbidlampen erzeugten nur trübe Lichtkegel -und die "Chauffeure" (aus dem Französischen: "Heizer") waren schlicht und einfach den durch die neue Technik erreichbaren Geschwindigkeiten nicht gewachsen.
Franz Rammel jedenfalls ließ sich von den Schwierigkeiten des neuen Fortbewegungsmittels nicht abschrecken, erstand 1909 einen gebrauchten Wagen und erlernte als 46-Jähriger das Autofahren. Das erste Auftauchen am Droschkenplatz wurde teils mit Erstaunen, aber auch mit Misstrauen betrachtet. Die neue Droschke weckte auch Interesse und wurde zunehmend häufiger gebucht. Durch diesen regen Zuspruch bestärkt, erstand Franz Rammel 1911 sein zweites Automobil. Diesmal war es ein Neuwagen, den er selbst von der ältesten Automobilfabrik der Welt, der Mercedes & Cie am Luzenberg in Mannheim abholte. Jetzt musste die Pferdedroschke der Kraftdroschke mit dem Kennzeichen IV B 2330 Platz machen.
Inzwischen waren auch die ersten Heidelberger Kollegen vom "Hafermotor" auf den Benzinmotor "umgestiegen", die Anzahl der Kraftdroschken nahm kontinuierlich zu. Für jede eingesetzte Kraftdroschke musste eine Pferdedroschke stillgelegt werden. Das Heidelberger Droschkengewerbe stand mitten im Umbruch auf eine neue Art der Personenbeförderung mit neuen Herausforderungen und anderen Interessen, als dies bei den Pferdekutschern der Fall war. Eine eigene Interessenvertretung musste her ...
von Michael Käflein
Bereits am 1. April 1913 war eine "Ortspolizeiliche Vorschrift betreffend der Aufstellung von Automobildroschken in Heidelberg" erlassen worden. Offensichtlich hatte das Auftreten der neuen Beförderungsmittel ein eigenständiges Regelwerk notwendig gemacht. Im wesentlichen orientierte sich die Vorschrift an den überkommenen Pferdedroschken-Tarifen, was besonders in der Tarifordnung erkennbar ist. Die alten Droschkentarife waren
ein kompliziertes Regelwerk, das sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzte: Es wurde unterschieden zwischen Rundfahrten und Zielfahrten. Diese unterschieden sich wiederum an der Entfernung, wozu verschiedene "Umschaltgrenzen" wie z.B. Friedhof-Krematorium oder Römerstraße Ecke Hebelstraße eine Rolle spielten.
Außerdem war bei der Fahrpreisermittlung die Anzahl und das Alter der beförderten Personen zu beachten und schließlich gab es noch einen besonderen Bergtarif. Viele dieser Komponenten finden sich auch noch sehr viel später in den Taxitarifen bis weit in die 1960er Jahre.
Die Ausstattung des Wagens musste bestehen aus "zwei an der Außenseite des Führersitzes anzubringenden Schildern, auf welchen die zugeteilte Droschkennummer in acht Zentimeter hohen Zahlen mit roter Farbe anzuzeigen ist, einem selbsttätigen, am Führersitz angebrachten Fahrpreisanzeiger, einer in Verbindung mit diesem stehenden, aus starkem Filzstoff gefertigten Fahne mit der Aufschrift "Frei" auf beiden Seiten, einer ... bei Dunkelheit in Nähe der Fahrpreisscheibe in Brand zu haltende Laterne mit ungefärbten Glasscheiben, einen ... auf der Rückseite des Führersitzes anzubringenden, gut lesbar zu haltenden, mit dem Stempel des Bezirksamtes versehenen Tarif."
Die Kraftdroschken waren nach einem vom Bezirksamt erstellten Turnus auf die Halteplätze eingeteilt. Das Bezirksamt bestimmte über die Höchstanzahl der zugelassenen Droschken; eine einmal erteilte Zulassung erlosch, wenn von ihr innerhalb eines Jahres kein Gebrauch gemacht wurde. Und: Beschäftigte Fahrer mussten dem zuständigen Polizeikommissar gemeldet werden.
Auf Anregung des Besitzers der Auto-Reparatur-Werkstatt in den Schrieder-Garagen und Besitzers zweier Kraftdroschken Hartmann wurde am 3. August 1913 die "Auto-Centrale e.V. Heidelberg" gegründet. Die Statuten des neuen Vereins wurden am 14. August 1913 in das Vereinsregister eingetragen. Hartmann wurde zum 1. Vorsitzenden gewählt. Leider ist im Registergericht keine Eintragung mehr vorhanden, sodass die Anzahl der Gründungsmitglieder nicht mehr festzustellen ist.
Ausgestattet mit einem eigenen Tarif und vereinigt in einer neu gegründeten Vereinigung, blickten die ersten Taxiunternehmer Heidelbergs hoffnungsfroh in die Zukunft. Die Anschaffung des Lohnkutschers Franz Rammel aus dem Jahre 1909 hatte sich als echte Initialzündung im Heidelberger Droschkenwesen erwiesen. Und der Taxiunternehmer Rammel investierte weiter: Im März 1914 kaufte er bereits seine nächste Kraftdroschke.
Mitte 1914 waren in Heidelberg bereits 22 Kraftdroschken im Einsatz. Doch am politischen Horizont tauchten düstere Wolken auf: Am 28. Juni 1914 wurde der österreichische Thronfolger in Sarajevo ermordet, die darauf folgenden politischen Händel führten schließlich zum Ausbruch des 1. Weltkrieges. Gleich nach Kriegsbeginn musste Franz Rammel
seinen neuen Wagen an die Wehrmacht verkaufen. Viele Unternehmer und Fahrer wurden eingezogen und mussten ihren Betrieb stilllegen. Die Beschaffung von Benzin, Öl und Gummi wurde ohnehin schwerer, denn alle kriegswichtigen Erzeugnisse wurden nun für das Heer bereitgestellt.
Am 1. Mai 1915 verfügte das Kriegsministerium die Meldepflicht und Beschlagnahmung sämtlicher Vorräte an Gummibereifung für Kraftfahrzeuge. Am 1. November 1916 schließlich wurden alle Vergnügungsfahrten verboten. Nur noch Fahrten zum Bahnhof und Fahrten für Ärzte waren nach Erhalt einer Sondererlaubnis möglich. Das Kraftdroschkengewerbe brach völlig zusammen. Den wenigen in Heidelberg verbliebenen Unternehmern blieb nichts anderes übrig als ihre als ihre Automobile "einzumotten."
Soweit die Pferde nicht eingezogen waren, wurden nur noch einige Pferdedroschken eingesetzt, die hauptsächlich den Transport von Kriegsversehrten in die Kliniken oder das zum Kriegslazarett umgewidmete ehemalige Grand Hotel "Prinz Carl" besorgten.
Auf den Frieden von 1918 folgten die Krisenjahre 1919 - 1923, die gekennzeichnet waren von Unruhen, Putschversuchen und gesellschaftlichen Verwerfungen. Der wirtschaftliche Niedergang, den die politische Instabilität mit sich brachte, blieb auch in der Fremdenverkehrsstadt Heidelberg nicht ohne Folgen. Aufgrund der wirtschaftlichen Misere verringerte sich die Anzahl der Fuhrbetriebe in Heidelberg um die Hälfte: In den Jahren 1921 und 1922 waren noch 18 - 20 Pferdedroschken und 20 Kraftdroschken im Einsatz. Wohl wegen fehlender Perspektiven gab der 1. Vorsitzende der "Auto-Centrale e.V." Hartmann seinen Betrieb auf und verließ Heidelberg.
Heidelberg, Neuenheimer Landstraße. Foto: Efkan Balikci
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Taxizentrale Heidelberg
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An die Stelle des 1. Vorsitzenden trat nun 1922 Wilhelm Mannhart. Als zweiten Vorsitzenden finden wir wieder den ersten Heidelberger Taxiunternehmer Franz Rammel. Ihr Wirken in der Geschäftsstelle in der Rohrbacher Straße 30 stand zunächst jedoch unter einem schlechten Stern:
Die aufkommende Hyperinflation erreichte erst 1923 ihren Höhepunkt und vernichtete auch noch diejenigen Rücklagen und Ersparnisse in der Bevölkerung, die der Krieg übrig gelassen hatte. Nach überstandener Inflation - auf dem Höhepunkt der Krise im November 1923 gab es für 1 Dollar 4,2 Billionen Mark! - begann dann in Heidelberg die Zeit des Aufschwungs für Kraftdroschken. Die wirtschaftliche Lage beruhigte sich, die "goldenen 20er" , ein Begriff, der eigentlich nur auf die Jahre 1924 bis 28 passte, begannen. Der Fremdenverkehr zog wieder an und bekam durch die 1918 am südlichen Neckarufer erbohrte Radium Sol-Quelle neue Impulse.
Bereits 1922 lautete die Fremdenverkehrsprognose des "Fremdenvereines": "Von jetzt ab wird man aber nach Heidelberg gehen, nicht nur, um sein unvergleichliches Schloss und das herrliche Neckartal zu bewundern, sondern auch um die Heilkraft der Liselottequelle zu erfahren. Auch als Bäderstadt wird Heidelberg ein voller Erfolg beschieden sein."
Im Jahre 1925 hatte die "Auto-Centrale Heidelberg" 24 Mitglieder mit 27 Fahrzeugen; Anfang 1926 erhöhte sich die Zahl der Taxen auf 35. Allerdings gab es auch Konkurrenz, womit nicht die noch verbliebenen Pferdedroschken gemeint sind, sondern im Sprachgebrauch der damaligen Zeit die "Privatvermietungswagen". In Heidelberg gab es davon acht Fahrzeuge mit Chauffeur und die "Auto-Centrale" beschwert sich in einem Schreiben vom 1. Februar 1926 an die zuständige Polizeibehörde über unsaubere Geschäftspraktiken der Konkurrenz:
"Die Portiers der Hotels, Kliniken sowie Kellner erhalten 10%, welche hinterher auf den Fahrpreis geschlagen werden." Die Polizeibehörde räumt in ihrem Antwortschreiben vom 11. März 1926 ein, dass es Vermietungen ohne polizeiliche Erlaubnis gegeben habe, wogegen auch strafrechtlich vorgegangen werde, aber ein Teil der "Privatvermietungswagen" solle die generelle Erlaubnis für droschkenähnlichen Verkehr erhalten. Und es drohte in Heidelberg neues Ungemach: Die "Kleinkraftdroschken."
In der Not der vorausgegangenen Krisenjahre hatte das Fuhrgewerbe in Deutschland nach billigeren Alternativen zu herkömmlichen Kraftdroschke gesucht. So waren in einigen Großstädten versuchsweise Motorradtaxen im Einsatz, dreirädrige Minitaxen zur Beförderung von maximal zwei Personen wurden ebenso eingeführt, wie ein früher Vorläufer des "Smart", eine zweisitzige Kleinlimousine von "Hanomag".
Alle diese Experimente verschwanden nach kurzer Zeit wieder von den Straßen. Ab 1925 wurden in Berlin und anderen Großstädten leichte Personenkraftwagen der Marken "Cyklon" und "NSU" als Kleindroschken eingesetzt, die zu einem um 25% billigeren Tarif als die herkömmlichen Großdroschken fuhren, die oftmals bis zu sechs Fahrgäste befördern konnten. Dieses Beispiel machte in ganz Deutschland Schule - jetzt auch in Heidelberg.
Nachdem am 25. Oktober 1926 von der Polizeidirektion ein neuer "Großkraftdroschkentarif' erlassen worden war, folgte am 18. November 1926 das Regelwerk für die "Kleinkraftdroschken", Bis Anfang 1927 wurden in Heidelberg zusätzlich 41 Kleinkraftdroschken zugelassen!
Obwohl die Heidelberger Taxiunternehmer nun mit zwei verschiedenen Tarifen um Kundschaft warben, traten sie dennoch in einer Organisation auf: Die neu zugelassenen Unternehmer traten der Auto-Centrale bei. Bei nach wie vor prosperierender Wirtschaft und steigenden Fremdenverkehrszahlen drängelten sich nun auf den Halteplätzen Bahnhof, Rohrbacher Straße, Ludwigsplatz, Leopoldstraße, Mönchhofgarten und Kornmarkt 77 Kraftdroschken.
Heidelberg hatte damit eine auch im Vergleich mit anderen deutschen Städten ungeheurere Taxidichte aufzuweisen: Unmittelbar hinter Berlin mit 21,7 Taxen je 10.000 Einwohner stand Heidelberg mit 11,8 Wagen; dann folgte Hamburg mit 11,0 Wagen. Doch damit nicht genug: Neben 10 Pferdedroschken waren auch noch ca. 30-35 "Privatvermietwagen" zugelassen, sodass sich in Heidelberg 1927 ca. 120 Fahrzeuge um Kundschaft bemühten. Der Markt war
eindeutig übersättigt. Die schlagartig verschärfte Konkurrenzsituation sorgte schnell dafür, dass sich die unterschiedlichen Tarife sehr schnell nach unten anglichen, daran änderte auch eine nochmalige Absenkung des Tarifes für Kleindroschken im August 1927 nichts.
Erst am 14. Februar 1929 wurden in Heidelberg dann die unterschiedlichen Tarife für Groß-und Kleintaxen wieder außer Kraft gesetzt und ein einheitlicher Kraftdroschkentarif geschaffen. Inzwischen war aber das Gewerbe von einer anderen Seite unter Druck geraten: Die Deutsche Reichspost setzte ab 1928 insgesamt 20 Omnibusse im Stadtgebiet ein, und ab dem Hochsommer 1929 trat die Heidelberger Straßen- und Bergbahn AG zu allem Überfluss mit 8 Omnibussen und 3 Aussichtswagen auf den Plan. Die Verluste für das Gewerbe waren erheblich.
Alleine 1929 musste ein Rückgang bei den Vermittlungen um 10.000 Fahrten festgestellt werden. Nachdem bekannt geworden war, dass die HSB auch noch eine massive Ausweitung ihres Angebotes für das folgende Jahr plante, wandten sich die Vorstände Kocher und Jacobsen mit einer Denkschrift an Stadtrat, Bürgerausschuss und Behörden, die schließlich am 10. Januar 1930 veröffentlicht wurde.
Sie forderten eine kategorische Beschränkung bei Post- und HSB-Bussen, "denn ... durch die geschilderte Wirtschaftslage waren unsere Mitglieder in der letzten Zeit gezwungen, schon eine größere Anzahl von Chauffeuren abzubauen und wir würden uns, wenn nicht in irgendeiner Form eine Verständigung erfolgt, gezwungen sehen, unser gesamtes Personal zu entlassen. Die Tageseinnahmen, die heute erzielt werden, reichen nicht dazu aus, um dem Unternehmer selbst nur ein einigermaßen klägliches Leben fristen zu lassen."
Der Verschlechterung des Geschäftes versuchte die Zentrale auch mit der Einrichtung neuer Halteplätze zu begegnen. Durch eine bessere Verteilung im Stadtgebiet sollten mehr "Kaufanreize" bei der Kundschaft geweckt werden. Vorstand Kocher in einem Schreiben an die Behörde: "... Es handelt sich um eine Existenzfrage. Bei der Anzahl der aufgestellten Droschken sind wir gezwungen, dass jedem Besitzer einigermaßen Verdienstmöglichkeiten geboten sind."
In der Franz-Knauff-Straße, am Schlachthof und in der Mittelstraße wurden neue Halteplätze eingerichtet, doch der erhoffte Effekt blieb freilich aus. Nicht nur die bedrückende Geschäftslage trieben die Vorstände Kocher und Jacobsen um: Der große Mitgliederzuwachs und neue wirtschaftliche Anforderungen an die Zentrale erforderten eine Umstrukturierung und auch den Umzug aus der inzwischen zu klein gewordenen Geschäftsstelle in der Rohrbacher Straße 30. Zuerst formierte sich die Zentrale neu: Sie gründete 1929 die "Einkaufsgenossenschaft der Taxameterbesitzer", die Stammanteile wurden auf 250 Reichsmark festgesetzt, monatlich waren 5 Reichsmark Beitrag zu bezahlen.
Dann wurde eine neue Bleibe in der Römerstraße 16/18 - ein ehemaliges Kohlelager - angemietet. Der spätere Vorstand Bühler beschreibt die Vorgänge in einem Bericht aus den
1950er Jahren folgendermaßen: "Die Genossenschaft wurde ohne finanzielle Mittel gegründet. Es wurde von einem Mitglied 5.000 Mark als kurzfristiges Darlehen gegeben. Es wurde 1919 ein Grundstück gepachtet. Dieses Grundstück wurde uns von Jakob Müller Erben vertraglich für 350 Mark im Monat verpachtet, obwohl es keine Einnahmemöglichkeiten hatte. Das (spätere) Bürohaus war Brennholzschuppen. Das übrige (Gelände) war nicht bebaut mit Ausnahme eines alten Holzschuppens. Es mussten Tankanlage, Waschplatz und Garagen erstellt werden, damit die Miete aus diesem Grundstück aufgebracht werden konnte."
Wann die Genossenschaft dann tatsächlich in die Römerstraße umgezogen ist, ist nicht bekannt. Am 24. Oktober 1929 löste der Börsensturz an der Wall Street die Weltwirtschaftskrise aus, mit deren Folgen das Heidelberger Taxigewerbe sehr schnell konfrontiert wurde. Die deutsche Wirtschaft, die am Tropf amerikanischer Kredite hing, brach zusammen. Konkurse, Massenarbeitslosigkeit und Inflation waren die Folge. Für die Heidelberger Droschkenunternehmer waren keine Existenzmöglichkeiten mehr vorhanden, weil die Monatsumsätze unter 300 Reichsmark lagen. Die Fahrerlöhne betrugen damals 20-30 Reichsmark pro Woche; sie konnten nun nicht mehr bezahlt werden.
Wer seinen Wagen nicht selbst fahren konnte, musste ihn stehen lassen. Ein großer Teil der Kraftdroschken wechselte den Besitzer. Am 19. Januar 1932 beschloss die Generalversammlung eine Reform der Statuten, die seit 1913 unverändert beibehalten worden waren. Außerdem wurde beschlossen, den Namen der Zentrale in "Autozentrale-Kleinautozentrale Heidelberg e.V." zu ändern. Als direkte Folge der Weltwirtschaftskrise stiegen die Nationalsozialisten zur stärksten politischen Gruppierung auf und übernahmen 1933 die Macht.
Gewerbeorganisationen, Innungen wie Genossenschaften wurden gleichgeschaltet. Im April 1934 wurde die "Autozentrale-Kleinautozentrale Heidelberg e. V." aufgelöst; das Vermögen der Sterbekasse des Vereins unter den Mitgliedern aufgeteilt. Statt dessen wurde die "Fachschaft für das Kraftdroschkengewerbe e.V. Heidelberg" gegründet, deren Eintragung am 24. April 1934 erfolgte. Sie unterstand direkt der Kontrolle der Deutschen Arbeitsfront. Vorstand Kocher stellte zum 1. Dezember 1934 sein Amt als Vorstand zur Verfügung, worauf die Mitglieder am 4. Dezember durch Rundschreiben der Deutschen Arbeitsfront mitgeteilt bekamen, dass ein gewisser Karl Rudolf zum Geschäftsführer bestellt worden sei. Der neue Geschäftsführer verlegte die Geschäftsstelle neben den Zimmernachweis am Bahnhof in der Rohrbacher Straße.
Parallel hierzu war Mitte Juni 1934 der Reichsverband des Kraftfahrgewerbes gegründet worden, der in verschiedene Fachgruppen, darunter auch die Fachgruppe Personenwagenverkehr, gegliedert war. Der Reichsverband übernahm nun die Kontrolle über das Taxigewerbe; auf ministerielle Anordnung mussten alle kurz zuvor gegründeten Fachschaften des Taxigewerbes aufgelöst werden. Mitgliedschaft in dem Verband war Pflicht. Zum Ortsfachgruppenleiter in Heidelberg wurde Wilhelm Ohlhauser ernannt. Der neue Ortsfachgruppenleiter verlegte das Büro wieder vom Bahnhof in die Römerstraße
16/18. Im Juni 1935 erfolgte dann die Neugründung als Genossenschaft unter dem Namen "Autozentrale-Kleinautozentrale und Einkaufsgenossenschaft der Taxameterbesitzer e. Gen. m.H Heidelberg"; die Eintragung ins Register wurde am 21. Juni 1935 vorgenommen. Allerdings: In Heidelberg waren 1936 nun nur noch 36 Kraftdroschken aktiv. Dies war zurückzuführen auf eine Reihe von Verordnungen aus dem Jahre 1935, die eine Reduzierung der zugelassenen Droschken zum Ziel hatten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Konzessionen auf Lebenszeit erteilt worden.
Mit Hilfe der Verordnungen wurde die Anzahl der Droschken in Heidelberg zunächst auf 37 vermindert. Für die unter den Abbau fallenden Unternehmer wurde in Heidelberg eine Entschädigung von 3.500 Reichsmark bezahlt, sofern es sich um einen Zweitwagen, also keine Existenzaufgabe handelte, wurde mit 400 Reichsmark entschädigt. Die gesamte Entschädigung war einkommensteuerfrei und bis zu einem Betrag von 1.000 Reichsmark sogar pfändungsfrei. Im März 1936 kaufte die Taxizentrale selbst noch einen Wagen auf und legte ihn still. Den verbliebenen 36 Taxen ging es in den folgenden Jahren unter der Leitung von Wilhelm Ohlhauser relativ gut. Der Fremdenverkehr kam wieder in Gang und die Wirtschaft wieder in Schwung. Die Nationalsozialisten kurbelten mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Aufrüstung die Wirtschaft kräftig an - allerdings auf Kosten einer gigantischen Verschuldung: 1938 betrug die innere Verschuldung bereits 42 Milliarden Reichsmark.
Mit dem Überfall auf Polen 1939 endete die kurze Zeit wirtschaftlicher Ruhe für das Droschkengewerbe. Bei Kriegsbeginn wurden alle "Bequemlichkeitsfahrten" verboten, Reifen und Treibstoff gab es bald nur noch auf Bezugsschein. Am 17. Mai 1940 wurden per Verordnung 50% aller Taxen in Deutschland stillgelegt. Taxen deutscher Produktion wurden requiriert, umlackiert und der Wehrmacht zur Verfügung gestellt. Lediglich Taxen ausländischer Herkunft verblieben dem Gewerbe. Nur Unternehmer und Fahrer, die für den Wehrdienst oder eine Dienstverpflichtung untauglich waren, z.B. aufgrund ihres Alters, durften weiter fahren. Ihre Fahrzeuge erhielten als Erkennungszeichen einen "roten Winkel".
1944 gab es nur noch 50 Liter Benzin pro Monat auf Bezugsschein, weshalb die wenigen verbliebenen Taxen auf Kohlevergaser und andere Ersatzstoffe wie das ebenfalls rationierte Flüssiggas umstellten. Und die Genossenschaft? Ab 1940 fanden keine Wahlen mehr statt, mit der Leitung wurde kommissarisch Kollege Bühler beauftragt. Er schreibt in seinem Bericht: "1940 wurde ich wieder aus dem Wehrdienst entlassen und hatte, da es nötig war, die geschäftliche Leitung übernommen, um den Pachtwert ... abführen zu können. Der Krieg brachte auch für unsere Genossenschaft von Monat zu Monat mehr Schwierigkeiten. Immer weniger Treibstoff und immer weniger Mitglieder, sodass die ganze geschäftliche Betreuung ohne Rücksicht auf eigenen finanziellen Verlust von mir durchgeführt werden musste. Ein Tankwart konnte nicht mehr unterhalten werden." So blieb die meiste Arbeit an Bühler hängen, ehrenamtlich, ohne Vergütung, denn Geld war keines mehr vorhanden.
In Heidelberg waren Ende des Krieges noch fünf Fahrzeuge im Einsatz, die hauptsächlich zum Krankentransport eingesetzt waren. Mit der Kapitulation am 8. Mai 1945 begann, nicht nur für das Taxigewerbe in Heidelberg, die Stunde null.
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